In diesem Artikel beschäftigen wir uns mit speziellem Babyfernsehen, TV als Babysitter und dem laufenden Fernseher im Hintergrund. Wir wollen keine Gemüter spalten und schon gleich gar nicht missionieren. Aber die Antwort, ob und was Fernsehen mit unseren Kindern macht, interessiert uns.


Wie alles begann

Es war Freitag Abend, 16. Oktober 2015. Der Tag, an dem wir drei aus dem Krankenhaus entlassen wurden und zum ersten Mal als Familie in unseren eigenen vier Wänden kuschelten.

Das Beistellbett im Schlafzimmer war aufgebaut, ein rundum verschlossenes Gitterbettchen hatten wir nicht. Hatten wir auch gar nicht weiter darüber nachgedacht, wir wollten Nikolas so nah wie möglich bei uns haben.

Es wurde dunkel. Und nun? Wir haben es nicht übers Herz gebracht, uns von ihm zu trennen und ihn schonmal alleine ins Schlafzimmer zu legen. Viel zu weit weg. Mindestens 15 ganze Schritte.

Hätten wir kein Baby gehabt, hätten wir uns an diesem verregneten Herbsttag mit einer Decke, einem heißen Tee und einem tollen Film auf die Couch gekuschelt. Da lag nun unser kleiner Mann. Selbst wenn wir Kopfhörer eingestöpselt hätten, damit man den Ton nicht hört, wäre es für uns vor allem wegen dem vielen Flimmern undenkbar gewesen, jetzt den Fernseher einzuschalten. „Zuckendes Licht stört auch schlafende Kinder“, hallte es in unserem Kopf nach. Irgendwo aufgeschnappt.  Das eigene Baby anzustarren ist sowieso besser, als jeder Film 🙂

Dass wir uns nicht mit unserem Baby aufs Sofa legen und nebenbei ein Film läuft, war für uns klar. Andere (vor allem Instagram- und Snapchat-)Mamas scheinen das bei weitem nicht so eng zu sehen, wie wir. Das ist eine wertungsfreie Feststellung. Ob unser fast radikales Verhalten dazu führt, dass Niki sich jedes Mal, wenn er einen Fernseher (oder übrigens auch das Smartphone/Tablet) sieht, fast verbiegt, um einen Blick zu erhaschen? Zu Hause können wir das problemlos steuern, in Cafés, Flugzeugen, Lobbies etc. sieht das hingegen anders aus.

Aber ganz ehrlich: manchmal hätten wir auch als Eltern einfach Lust darauf, den ganzen verregneten, gemütlichen Sonntag auf der Couch zu verbringen. Mit einem guten Film.

Sind die Zeiten der gemütlichen Fernsehsonntage mit Baby jetzt erstmal vorbei? Oder sollten wir uns einfach entspannen? 


Recherche

Glaubt man diversen Berichten, begannen die Kleinsten noch in den 70er Jahren durchschnittlich im zarten Alter von 4 Jahren mit dem Fernsehkonsum. Seit einigen Jahren jedoch hat sich das Einstiegsalter tatsächlich auf 4 Monate reduziert (nicht „um“ 😉 ).

4 Monate!!! In diesem Alter reagieren Babies bereits auf einzelne Fernsehbilder.

Das finden wir ganz schön bedenklich. Auch, dass zwei Drittel der amerikanischen Kinder unter 2 Jahren regelmäßig Fernsehen. Wie das wohl in Deutschland aussieht?

Babyfernsehen

Maßgeblich beteiligt an dieser Entwicklung ist neben bspw. dem KiKA sicher auch das Medienphänomen Babyfernsehen. Davon hören wir jetzt zum ersten Mal. Ganz vorne mit dabei z.B. der amerikanische Sender „BabyFirst“ mit mehr als 90 Programmformaten, in 10 Sprachen zu empfangen (auch bei uns über youtube). Die überwiegend visuell orientierten Animationssendungen werden speziell auf die Aufmerksamkeitsspanne von Babies zugeschnitten und sollen angeblich für die Macher keine Cash-Cow sein, sondern lediglich das Angebot für die Kleinsten erweitern und damit frühzeitig die Entwicklung fördern. Ziel ist es, die Sprachlust anzuregen und kognitive Fähigkeiten anzukurbeln.

Hmmmm…

Und wie sieht das konkret aus? Eltern setzen ihre Kinder in der Autoschale oder dem Hochstuhl vor den Fernseher?

Was sagen die Experten dazu? Die meisten, darunter auch der Branchenverband der Kinderärzte findet, dass Kinder unter zwei Jahren vor dem Fernseher nichts verloren haben.

Das Gehirn eines Babys braucht sofortige Rückkoppelung. Damit es lernen kann, müssen Eltern nicht nur feinfühlig, sondern auch sofort auf das Kind eingehen, wenn es etwa schreit oder weint. Ein Fernseher reagiert jedoch nie.

(Fabienne Becker-Stoll, Leiterin des Staatsinstituts für Frühpädagogik)

Studien haben gezeigt, dass der Blick der Kleinen auf den Bildschirm so gut wie unsteuerbar ist und ein Kind unter 2 1/2 Jahren keine Verbindungen zwischen wechselnden Perspektiven herstellen kann. Lerneffekt also gleich 0.

Neue Verbindungen im Gehirn entstehen nämlich besonders bei kleinen Kindern dann, wenn eine gleichzeitige Aktivierung von verschiedenen Bereichen im Gehirn stattfindet. Interaktion ist wesentlicher Bestandteil vom Lernen. Passiert damit also nicht beim Blick auf die Flimmerkiste. Auch wenn die tanzende Erdbeere angeblich einen Lernauftrag hat.

Was kann die Folge von frühem TV-Konsum sein? Z.B. Einschlafprobleme, Unruhe, Überdrehtheit. Und das alles wiederum kann zu Verhaltensstörungen und gesundheitlichen Problemen führen. Klingt pauschal. Aber dennoch nicht gut.

Dass Babies und kleine Kinder mehr Anregung bekommen, wenn sie mit Freunden, Eltern oder Bruder und Schwester agieren, ist klar.

Neue Medien als Babysitter

Hier kommt aber vermutlich neben dem steigenden Angebot ein anderer wichtiger Grund für das zunehmende Fernsehschauen der Kleinen ins Spiel: Bequemlichkeit. Mit Hilfe der elektronischen Medien lassen sich die Babies (scheinbar) gut bei Laune halten – eine Gefahr? Wahrscheinlich schon. In einigen Situationen aber dennoch verständlich, denn Medien können theoretisch eben immer den Babysitter übernehmen, besonders wenn Mama um 17 Uhr endlich mal in Ruhe Duschen möchte und Papa gerade den Rasen mäht.

Fernsehen im Hintergrund

Ok, bislang ging es überwiegend darum, wenn Kinder vor dem Fernseher „abgestellt“ werden. Was aber, wenn der Fernseher „nur“ im Hintergrund läuft?

Für den Fall, dass das Baby oder Kleinkind nebenbei dennoch spielt, sei nichtsdestotrotz dessen Konzentration gestört und Spieldauer verkürzt. 

Fernsehen im Hintergrund stört durch seine ständig wechselnden audiovisuellen Reize Kinder bei intensiver spielerischer Beschäftigung und stellt somit eine potentielle Gefahr dar.

(Christa Schaff, Vorsitzende des Berufsverbandes für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie)

Fazit

Ein schwieriges Thema, denn Fernsehen gehört heute zum Leben dazu. Und es ist sicher wichtig, dass Kinder (!) auch lernen, in Maßen mit den neuen Medien umzugehen. Sie existieren nunmal. Bringen wir unseren Kindern lieber einen vernünftigen Umgang damit bei. Das erscheint uns ohnehin in vielen Bereichen sehr wichtig, gerade den umstrittenen, wie bspw. auch dem Süßigkeitenkonsum. Damit wurden wir bislang allerdings noch genauso wenig konfrontiert, wie mit dem Fernseher 🙂 

Wir werden sicher versuchen, das Hartmännchen unter 3 Jahren gar nicht vor der Kiste abzusetzen oder zeitweise mit dem iPad zu bespaßen. Mit der Zeit wird sich herausstellen, wie gut wir das umsetzen können, denn seien wir ehrlich: vieles lässt sich in der Theorie eben gut befürworten oder ablehnen, steckt man dann aber selbst in der Situation, fällt die Entscheidung manchmal auch anders aus, als urspr. geplant.

Wenn wir gemeinsam mit Niki TV schauen nehmen wir uns vor, zusammen ein kindgerechtes Programm auszuwählen und auch direkt über den Inhalt mit ihm zu sprechen.

Und bis es so weit ist, bleibt der Fernseher tatsächlich aus. Oder wir geben den Lütten zur Oma und werfen uns auf die Couch 🙂

Wie steht ihr zum Thema Kinder/ Babies und Fernsehen?

Alles Liebe, Julia und Jan